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Urteil Versicherungsgericht (SG - BV 2012/21)

Zusammenfassung des Urteils BV 2012/21: Versicherungsgericht

Die Kläger, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Hubatka, haben gegen die Stadt E. geklagt, um Ansprüche aus der Auflösung der Ruhegehaltsordnung geltend zu machen. Es ging um die Auszahlung der angesparten Kapitalien an die Versicherten. Das Stadtparlament beschloss am 7. Juni 2012, die Ruhegehaltsordnung aufzuheben und die Auszahlung der Kapitalien vorzunehmen. Die Kläger forderten eine vollständige Auszahlung, während die Beklagte einen Teil der Arbeitgeberbeiträge für die Sanierung der Pensionskasse verwenden wollte. Das Versicherungsgericht St. Gallen entschied, dass die Klage abgewiesen wird, da die beschlossenen Auszahlungen angemessen waren. Die Kläger wurden zur Zahlung von Gerichtskosten und einer Parteientschädigung verpflichtet.

Urteilsdetails des Verwaltungsgerichts BV 2012/21

Kanton:SG
Fallnummer:BV 2012/21
Instanz:Versicherungsgericht
Abteilung:BV - berufliche Vorsorge
Versicherungsgericht Entscheid BV 2012/21 vom 22.05.2014 (SG)
Datum:22.05.2014
Rechtskraft:
Leitsatz/Stichwort:Entscheid Art. 65 lit. e VRP Zuständigkeit des Versicherungsgerichts für Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Versicherungen. Liquidation einer städtischen Ruhegehaltsordnung für Mitglieder des Stadtrates. Die städtische Ruhegehaltsordnung stellt keine Vorsorgeeinrichtung dar und fällt damit nicht in den Anwendungsbereich des BVG. Das FZG ist gestützt auf Art. 1 Abs. 3 FZG sinngemäss anwendbar auf Ruhegehaltsordnungen, nach denen die Versicherten im Vorsorgefall Anspruch auf Leistungen haben. Eine sinngemässe Anwendung des FZG schliesst eine Abweichung von den Mindestansprüchen gemäss Art. 17 FZG nicht aus (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 22. Mai 2014, BV 2012/21).Beim Verwaltungsgericht angefochten.Präsident Joachim Huber, Versicherungsrichterinnen Christiane Gallati Schneider undMarie Löhrer; Gerichtsschreiber Peter Wohnlich
Schlagwörter: Stadt; Reglement; Vorsorge; Ruhegehaltsordnung; Reglements; Klage; Stadtrat; Versicherung; Auflösung; Freizügigkeit; Aufhebung; Arbeitgeber; Ruhegehaltsreglement; Stadtparlament; Gallen; Beklagten; Vorsorgefall; Regelung; Destinatär; Versicherungsgericht; Kapital; Beiträge; Ausscheiden; Auszahlung; Alter; Zeitpunkt; Vorsorgeeinrichtung
Rechtsnorm: Art. 1 ZG ;Art. 17 ZG ;Art. 2 ZG ;Art. 53c BV ;Art. 73 BV ;Art. 74 BV ;
Referenz BGE:-
Kommentar:
-

Entscheid des Verwaltungsgerichts BV 2012/21

Entscheid vom 22. Mai 2014

in Sachen

  1. Dr. A. ,

  2. Dr. B. ,

  3. C. ,

  4. D. ,

Kläger,

alle vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Martin Hubatka, Seestrasse 6, 8027 Zürich,

gegen Stadt E. , Beklagte,

vertreten durch Rechtsanwalt Dr. iur. Ueli Kieser, Kieser Senn Partner, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich,

betreffend

Freizügigkeitsleistung aus Ruhegehaltsordnung

Sachverhalt:

A.

    1. Anlässlich der Sitzung vom 4. Juni 1992 erliess das Gemeindeparlament der Stadt E. ein Ruhegehaltsreglement, das am 1. Januar 1993 in Kraft trat (nachfolgend Reglement; act. G 1.5). Dieser Ruhegehaltsregelung konnten sich die vollamtlichen Mitglieder des Stadtrates der Stadt E. auf freiwilliger Basis anschliessen. Gestützt auf einen Nachtrag vom 28. August 2008 konnten sich ab 1. Januar 2009 neu auch Mitglieder des Stadtrates anschliessen, deren Beschäftigungsgrad mindestens 50 % betrug (act. G 1.8). Bestandteil der Ruhegehaltsregelung war ein Fonds, der durch Beiträge der Versicherten und der Politischen Gemeinde geäufnet wurde. Als versichertes Ereignis galt primär das Ausscheiden aus dem Amt.

    2. Dr. A. (nachfolgend Destinatär 1) und Dr. B. (nachfolgend Destinatärin 2) waren seit dem Jahr 2001 vollamtlich als Stadtrat tätig und der Ruhegehaltsordnung angeschlossen. C. (nachfolgend Destinatär 3) und D. (nachfolgend Destinatär 4) waren seit dem Jahr 2009 zu 60 % als Stadtrat tätig und der Ruhegehaltsordnung angeschlossen.

    3. Mit Bericht vom 23. September 2010 beantragte der Stadtrat dem Stadtparlament, das Ruhegehaltsreglement samt Nachtrag 1 sei rückwirkend auf den 31. Dezember 2009 aufzuheben und das angesparte Kapital sei vollumfänglich an die Mitglieder des Stadtrates auf ein jeweiliges Freizügigkeitskonto auszuzahlen (act. G 1.10). Die vorberatende Geschäftsprüfungskommission (GPK) stimmte der Aufhebung zu, machte jedoch geltend, es könne keine vollständige Auszahlung des jeweilig angesparten Kapitals stattfinden. Es seien die ganzen Arbeitnehmerbeiträge, jedoch nur ein Teil der Arbeitgeberbeiträge an die Destinatäre auszurichten. Der restliche Teil der Arbeitgeberbeiträge sei für die Sanierung der Pensionskasse Wil zu verwenden. Daraufhin beantragte der Stadtrat die Absetzung des Geschäfts (act. G 1.11).

    4. Mit Schreiben vom 8. Februar 2011 erklärte die GPK, sie unterstütze nach wie vor die Aufhebung des Ruhegehaltsreglements, halte jedoch an den Anträgen zur nicht vollständigen Ausrichtung der angesparten Kapitalien fest (act. G 1.12). Mit Schreiben an das Präsidium des Stadtparlaments vom 21. Februar 2011 beantragte der Stadtrat den Beizug einer externen Fachperson und erklärte, der Bericht inkl. des Antrags würde zurückgezogen (act G 1.13). Die GPK holte in der Folge eine Stellungnahme von Rechtsanwalt Markus Joos, St. Gallen, ein und stellte diese am 21. April 2011 dem Stadtrat zu (act. G 1.15). Daraufhin veranlasste der Stadtrat ein Rechtsgutachten durch Rechtsanwalt Peter Rösler, St. Gallen (act. G 1.16).

    5. Am 6. September 2011 reichte die GPK eine Motion ein und beantragte, das Ruhegehaltsreglement sei rückwirkend per 31. Dezember 2009 aufzuheben. Es sei zudem eine Auszahlung der Arbeitgeberbeiträge gemäss Art. 3 des Reglements vorzunehmen und es sei dem Parlament bis Ende 2011 Bericht und Antrag zu diesem Geschäft zu unterbreiten (act. G 1.18). Das Stadtparlament F. erklärte die Motion der GPK in der Folge für erheblich (act. G 1.20).

    6. Mit Anfrage vom 9. November 2011 bat der Stadtrat die GPK um Konkretisierung der ihrer Meinung nach auszurichtenden Beiträge. Mit Schreiben vom 16. November 2011 teilte die GPK mit, dass für die Destinatäre 1 und 2 lediglich 50 % der Arbeitgeberbeiträge und für die Destinatäre 3 und 4 keine Arbeitgeberbeiträge auszuzahlen seien (act. G 1.21).

    7. Daraufhin beantragte der Stadtrat am 1. Februar 2012, das Reglement sei samt Nachtrag per 31. Dezember 2012 aufzuheben, das angesparte Kapital sei vollumfänglich an die Destinatäre auszurichten und die Motion der GPK sei abzuschreiben (act. G 1.22). Die vorberatende GPK stellte daraufhin den Antrag, das Reglement sei auf den 8. Juni 2012 aufzuheben und die Sparkapitalien seien nach Art. 3 des Reglements auszurichten. Der Stadtrat passte seine Anträge daraufhin dahingehend an, dass das Reglement entsprechend dem Antrag der GPK per 8. Juni 2012 aufzuheben und die Auszahlung der Sparguthaben gemäss Freizügigkeitsgesetz vorzunehmen sei (vgl. Zusammenfassung der Parlamentssitzung vom 07.06.2012; act. G 1.6).

    8. Anlässlich der Sitzung vom 7. Juni 2012 entschied das Stadtparlament im Sinne der GPK, dass das Reglement per 8. Juni 2012 aufzuheben und die Auszahlung der angesparten Kapitalien gemäss Art. 3 des Reglements vorzunehmen sei (vgl. Zusammenfassung der Parlamentssitzung vom 07.06.2012; act. G 1.6).

B.

    1. Am 18. Dezember 2012 reichten die Destinatäre, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Hubatka, Zürich, Klage ein (act. G 1), mit den Anträgen: Die Beklagte sei zu verpflichten, 1. Dem Kläger 1 Fr. 238'000.30 samt Zins von 5 % seit dem 1. Januar 2013 auf ein vom Kläger 1 zu bezeichnendes Konto bar zu leisten. 2. Der Klägerin 2 Fr. 238'000.30 samt Zins von 5 % seit dem 1. Januar 2013 auf ein von der Klägerin 2 bezeichnetes Freizügigkeitskonto zu leisten. 3. Dem Kläger 3 Fr. 42'707.30 samt Zins von 5 % seit dem 1. Januar 2013 auf ein vom Kläger 3 bezeichnetes Freizügigkeitskonto zu leisten. 4. Dem Kläger 4 Fr. 42'707.30 samt Zins von 5 % seit dem 1. Januar 2013 auf ein vom Kläger 4 bezeichnetes Freizügigkeitskonto zu leisten. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Beklagten. Zur Begründung brachte der klägerische Rechtsvertreter im Wesentlichen vor, dass durch das

      Reglement sowohl die Risiken Tod und Invalidität, aber auch das Risiko Alter versichert seien und in diesen Vorsorgefällen ein Leistungsanspruch der Versicherten bestehen würde. Der Leistungsanspruch ergebe sich direkt gegenüber dem Arbeitgeber, d.h. der Beklagten, da sich der Ruhegehaltsfonds im Vermögen der Beklagten befände und es sich nicht um ein aus der Stadtrechnung ausgegliedertes Vermögen handeln würde.

      Mit der Auflösung des Fonds würden die Austrittsleistungen fällig. Die Beklagte habe dabei nicht nur die Sparbeiträge der Kläger, sondern auch die vollen Sparbeiträge des Arbeitgebers, d.h. der Beklagten, zuzüglich die aufgelaufenen Zinsen an die Kläger auszurichten. Eine rückwirkende Aufhebung des Reglements auf einen willkürlich von der Legislative gesetzten Zeitpunkt würde gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossen und sei darum nicht statthaft. Die Amtsperiode ende per 31. Dezember 2012. Es erscheine als offensichtlich, dass die Kläger ein halbes Jahr vor Ende damit rechnen dürften, dass die nun 20 Jahre bestehende Ruhegehaltsordnung erst auf das Ende der Amtsperiode aufgehoben werde. Zu ergänzen sei dabei, dass zu diesem Zeitpunkt auch ein erheblicher personeller Wechsel im Stadtrat G. stattfinde. Auch dies spreche für eine Aufhebung des Reglements auf Ende der Amtsperiode.

    2. Die Beklagte reichte mit Eingabe vom 10. April 2013, vertreten durch Rechtsanwalt Ueli Kieser, Zürich, die Klageantwort ein (act. G 9), mit dem Antrag, es sei die Klage vom 18. Dezember 2012, soweit darauf einzutreten sei, abzuweisen. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten der Klagenden. Die Beklagte bestritt die sachliche Zuständigkeit des Versicherungsgerichts St. Gallen für die vorliegend zu beurteilende Klage. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Zahlungen im Rahmen der Ruhegehaltsordnung nach unbestrittener Auffassung zum massgebenden Lohn gehörten und auch nicht steuerbefreit seien. Es handle sich nicht um Beiträge im Rahmen der beruflichen Vorsorge und die Streitigkeit beziehe sich nicht auf eine berufsvorsorgerechtliche Angelegenheit, sondern auf andere Aspekte. Das Reglement sei auf den 8. Juni 2012 aufgehoben worden. Damit sei zugleich die rechtliche Grundlage für den bestehenden Ruhegehaltsfonds wie auch für allfällige weiterlaufende Beiträge ersatzlos weggefallen. Die Berechnung der an die Kläger auszurichtenden Beiträge habe in Anwendung von Art. 3 des Ruhegehaltsreglements zu erfolgen. Die Aufhebung des Ruhegehaltsreglements sei zudem schon lange beraten worden, weshalb schon allein aus diesem Grund nicht von einer rückwirkenden Aufhebung gesprochen werden könne.

    3. Mit Schreiben vom 12. April 2013 stellte das Versicherungsgericht den Klägern die Klageantwort zu und teilte ihnen mit, dass das Gericht vorerst über seine Zuständigkeit befinden werde. Gleichzeitig eröffnete das Gericht den Klägern die Möglichkeit, im Sinne einer auf diese Rechtsfrage beschränkten Replik, Stellung zu nehmen (act. G 10).

      Mit Replik vom 21. Mai 2013 (act. G 13) hielt der klägerische Vertreter an der Zuständigkeit des Versicherungsgerichts fest. Zur Begründung brachte er im Wesentlichen vor, es handle sich um eine Streitigkeit aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherung für Behördenmitglieder und öffentliche Angestellte.

    4. Mit Datum vom 6. Juni 2013 reichte der Vertreter der Beklagten die auf die Ein­ tretensfrage beschränkte Duplik ein (act. G 15). Darin hielt er an seinem Standpunkt, dass das Versicherungsgericht für die vorliegende Streitsache sachlich nicht zuständig sei, fest.

    5. Mit Schreiben vom 9. Januar 2014 stellte der Abteilungspräsident unter Bezug­ nahme auf mit den Parteivertretern geführte Telefongespräche (act. G 17) fest, dass die Parteien für den Fall des Eintretens auf die Klage auf weitere Stellungnahmen verzichteten und der Schriftenwechsel damit abgeschlossen sei (act. G 18).

Erwägungen:

1.

In der vorliegenden Streitsache sind Ansprüche der Kläger gegenüber der Beklagten, die aufgrund der Aufhebung des Ruhegehaltsreglements entstanden sind, zu beurteilen. Vorab erscheinen einige einleitende Feststellungen angezeigt. Unbestritten ist, dass vor dem 8. Juni 2012 bei keinem der Kläger ein Versicherungsfall eingetreten ist, insbesondere war keiner von ihnen zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Amt ausgeschieden. Im Weiteren steht gestützt auf eine Arbeitgeberkontrolle der Sozialversicherungsanstalt (SVA) St. Gallen vom Januar 2010 fest, dass es sich beim Ruhegehaltsreglement nicht um eine gebundene Altersvorsorge gemäss den gesetzlichen Vorgaben der beruflichen Vorsorge (BVG) handelte, was unter anderem auch dazu führte, dass die Beiträge weder AHV- noch steuerbefreit waren (vgl. act. G 1.10, S. 3). Nach Art. 56 lit. e des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) wäre für eine solche Steuerbefreiung erforderlich gewesen, dass die Einlagen ausschliesslich und unwiderruflich der beruflichen Vorsorge dienten, was hier angesichts der Rückfallklausel gemäss Art. 3 Abs. 1 letzter Satz des Reglements sowie

der Barauszahlung auch bei Arbeitslosigkeit in Form einer Überbrückungsrente gemäss Art. 4 Abs. 2 des Reglements offensichtlich nicht der Fall war.

2.

2.1 Die Beklagte bestreitet die sachliche Zuständigkeit des Versicherungsgerichts St. Gallen für das vorliegende Klageverfahren. Die Kläger begründen diese insbesondere mit Art. 65 lit. e des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege (VRP;

sGS 951.1). Nach dieser Bestimmung beurteilt das Versicherungsgericht Streitigkeiten aus öffentlich-rechtlichen Versicherungen für Behördenmitglieder, Beamte und öffentliche Angestellte. Bei der im Reglement vorgesehenen Ruhegehaltsordnung handelte es sich zweifellos um eine öffentlich-rechtliche Versicherung für Behördenmitglieder (teilamtliche und vollamtliche Mitglieder des Stadtrates), wobei als versichertes Ereignis das Ausscheiden aus dem Amt galt. Während das Ruhegehaltsreglement vor allem den beruflichen Wiedereinstieg bzw. eine Überbrückung bis zur ordentlichen Pensionierung erleichtern wollte (vgl. dazu act. G

1.7 S. 2), waren die Kläger für die Risiken Alter, Invalidität und Tod zur Hauptsache der Pensionskasse der Stadt E. angeschlossen. Es ist somit

davon auszugehen, dass es sich beim gestützt auf das Ruhegehaltsreglement bei der Beklagten geäufneten Vermögen nicht um eine Vorsorgeeinrichtung handelt. Für (nicht registrierte) Vorsorgeeinrichtungen würde sich das Verfahren im Falle einer Liquidation gestützt auf Art. 23 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZG; SR 831.42) nach Art. 53c und 53d des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; 831.40) richten, d.h. zuständig wäre diesfalls für die Genehmigung des Verteilplans die Aufsichtsbehörde BVG und deren Entscheid könnte mit Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht angefochten werden (vgl. Art. 74 BVG). Nachdem jedoch in Übereinstimmung mit dem Entscheid der SVA nicht von einer gebundenen Altersvorsorge im Sinne des BVG auszugehen ist und mit dem Ruhegehaltsreglement primär das Risiko des Ausscheidens aus dem Amt abgesichert wurde, ist die sachliche Zuständigkeit des Versicherungsgerichts St. Gallen gestützt auf Art. 65 lit. e VRP zu bejahen.

2.2 Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch richtet sich gegen die Stadt E. und damit gegen ein Gemeinwesen. Eine solche Klage kann erst erhoben werden, wenn die oberste in der Sache zuständige Verwaltungsbehörde des

Gemeinwesens den Anspruch abgelehnt hat (vgl. Art. 67 VRP). An seiner Sitzung vom

7. Juni 2012 lehnte das Stadtparlament die beantragten Ansprüche der Kläger ab. Es liegt damit ein ablehnender Beschluss der obersten in der Sache zuständigen Verwaltungsbehörde vor.

3.

Bestandteil der Ruhegehaltsregelung der E. war ein Fonds, der durch Zahlungen der Kläger und durch doppelt so hohe Zahlungen der Beklagten geäufnet wurde. Als versichertes Ereignis galt – wie erwähnt - das Ausscheiden aus dem Amt. Die Auflösung der Ruhegehaltsordnung ist unbestritten, wurde seitens der Kläger auch ausdrücklich beantragt und schliesslich durch das Stadtparlament anlässlich der Sitzung vom 7. Juni 2012 auch tatsächlich beschlossen (act. G 1.6). Umstritten ist jedoch die Art und Weise der Liquidation, insbesondere die Verteilung der angesparten Kapitalien. Während die Kläger das angesparte Kapital vollumfänglich bar ausbezahlt dem jeweiligen Freizügigkeitskonto zugewiesen haben wollen, will die Beklagte einen Teil der Arbeitgeberbeiträge als Sanierungsbeitrag für die Pensionskasse verwenden.

4.

    1. In Art. 1 FZG ist der Anwendungsbereich dieses Gesetzes geregelt. Gemäss Art. 1 Abs. 2 FZG sind dessen Bestimmungen anwendbar auf alle Vorsorgeverhältnisse, in denen eine Vorsorgeeinrichtung des privaten öffentlichen Rechts aufgrund ihrer Vorschriften (Reglement) bei Erreichen der Altersgrenze, bei Tod bei Invalidität (Vorsorgefall) einen Anspruch auf Leistungen gewährt. Da es sich, wie voranstehend festgestellt, bei der zu liquidierenden Ruhegehaltsordnung nicht um eine Vorsorgeeinrichtung im Sinne des BVG handelt, kommt das FZG nicht direkt zur Anwendung. Art. 1 Abs. 3 FZG erklärt das Gesetz hingegen für sinngemäss anwendbar auf Ruhegehaltsordnungen, nach denen die Versicherten im Vorsorgefall Anspruch auf Leistungen haben. Diese Regelung zielt namentlich auf den Fall von

      Ruhegehaltsordnungen von hohen Beamten Kadern ab, bei denen der Arbeitgeber das Vorsorgeversprechen erteilt hat. Auch diese Personen müssen vom Erhalt eines Teils ihrer Vorsorge profitieren können, auch wenn ihre Rechte nicht der klassischen Struktur des Vorsorgeversprechens einer Vorsorgeeinrichtung entsprechen (vgl. Jacques-André Schneider, in: Schneider/Geiser/Gächter, Handkommentar zum BVG und FZG, Art. 1 FZG, N 11 mit Hinweisen). Art. 3 und 4 des Reglements enthalten die versicherten Leistungen. Es handelt sich dabei um Leistungen im Vorsorgefall. Gemäss Art. 1 Abs. 3 FZG kommt dieses Gesetz auf die vorliegende Streitsache somit sinngemäss zur Anwendung.

    2. Die Austrittsleistungen in einem Freizügigkeitsfall sind in Art. 2 FZG geregelt. Als Freizügigkeitsfall gilt dabei das Verlassen der Vorsorgeeinrichtung bevor ein Vorsorgefall eintritt (Art. 2 Abs. 1 FZG). Art. 17 FZG enthält zudem eine Regelung der Mindestansprüche auf Freizügigkeitsleistungen. Art. 3 des Reglements enthält ebenfalls eine Regelung für den Fall, dass ein Versicherter vor Eintritt des Vorsorgefalls aus der Vorsorgeordnung ausscheidet. Durch die Regelung in Art. 3 des Reglements werden die Mindestansprüche gemäss Art. 17 FZG jedoch nicht gewahrt. Da das FZG hingegen nur sinngemäss zur Anwendung gelangt und Art. 3 des Reglements eine Spezialregelung enthält, ist diese für Austrittsleistungen bei Verlassen der Ruhegehaltsordnung vor Eintritt des Vorsorgefalls als massgebend zu betrachten. Die sinngemässe Anwendung des FZG schliesst eine Abweichung von den in Art. 17 FZG geregelten Mindestansprüchen nicht aus. Festzuhalten ist zudem, dass der Anschluss an die Ruhegehaltsordnung auf absoluter Freiwilligkeit beruhte und die Kläger im Zeitpunkt ihres jeweiligen Anschlusses Kenntnis von dieser Regelung hatten. Es erschiene deshalb unbillig, bei gesetzlich vorgeschriebener nur sinngemässer Anwendung des Freizügigkeitsgesetzes von einer Ungültigkeit des Art. 3 des Reglements auszugehen. Im Unterschied zum Entwurf des Bundesrats hat denn auch der Gesetzgeber entschieden, andere analoge Regelungen, die beim Eintreten eines Vorsorgefalls Leistungen gewähren, vom Geltungsbereich des Gesetzes auszuschliessen. Damit wollte der Gesetzgeber dem Arbeitgeber die Möglichkeit wahren, individuelle, an den Arbeitsvertrag gebundene Begünstigungen in Abgeltung der Treue des Arbeitnehmers zu gewähren (vgl. J.-A. Schneider, a.a.O., Art. 1 FZG, N 12 mit Hinweisen). Die Bestimmung in Art. 3 des Reglements ist damit nicht bundesrechtswidrig.

5.

    1. Vorliegend ist kein Freizügigkeitsfall, sondern die Auflösung der Ruhegehaltsordnung zu beurteilen. Weder dem FZG noch dem Reglement können Bestimmungen betreffend die Auflösung der Vorsorgeordnung entnommen werden. Wie vorstehend ausgeführt, sind zudem das BVG und insbesondere die in Art. 53c ff. BVG enthaltenen Bestimmungen betreffend die Liquidation einer Vorsorgeeinrichtung auf die vorliegende Streitsache nicht anwendbar. Da für die Liquidation der Vorsorgeregelung der Stadt E. somit keine anwendbaren gesetzlichen reglementarischen Bestimmungen vorliegen, ist nach einer sachgemässen Lösung zu suchen. Das Reglement entspricht dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Ruhegehaltsordnung bestehenden politischen Konsens und es lassen sich daraus die der Regelung zu Grunde liegenden Absichten ableiten. Sachgemäss ist daher diejenige Lösung, die dem Sinn und Zweck des Reglements am besten entspricht.

    2. In der Ruhegehaltsordnung der Stadt E. war vorgesehen, dass die Versicherten unabhängig vom Grund ihres Ausscheidens die versicherten Leistungen erhalten sollen. Art. 3 Abs. 1 des Reglements enthielt die Regelung für den Fall, dass ein Versicherter vor Eintritt eines Vorsorgefalles aus der Ruhegehaltsordnung ausscheidet. Die Höhe des Anspruchs auf Auszahlung war dabei an die Anzahl Amtsdauern geknüpft. Dabei war es unerheblich, aus welchem Grund der Versicherte ausscheidet (Nicht-Wiederwahl, Rücktritt Pensionierung). Neben Art. 3 des Reglements enthält dieses keine Bestimmungen für den Fall eines Ausscheidens vor Eintritt des Vorsorgefalls. Jedenfalls bietet das Reglement keinerlei Grundlage für die Annahme, dass im Falle der Auflösung der Ruhegehaltsordnung den Versicherten das angesparte Kapital vollumfänglich ausbezahlt werden soll. Ebenfalls sind im Reglement keine Bestimmungen enthalten, nach denen die Versicherten ihre sich aus Art. 3 des Reglements ergebenden Anwartschaften verlieren könnten. Es erscheint somit dem Sinn und Zweck des Reglements zu entsprechen, Art. 3 auf alle Fälle anzuwenden, in denen ein Versicherter vor Eintritt des Vorsorgefalls aus der Vorsorgeordnung austritt ausscheidet. Die vorliegend zu beurteilende Liquidation der Ruhegehaltsordnung führt ebenfalls zu einem vorzeitigen Ausscheiden der Versicherten. Damit erscheint es als sachgerecht, die Auszahlung der Beitragszahlungen anlässlich der Auflösung der Ruhegehaltsordnung gemäss Art. 3 des Reglements vorzunehmen. Der anlässlich der

Sitzung des Stadtparlaments vom 7. Juni 2012 angenommene Vorschlag der GPK berücksichtigt diese Anwartschaften und ist daher als angemessen zu beurteilen.

6.

    1. In der Klageschrift vom 18. Dezember 2012 (act. G 1) stellten sich die Kläger zudem auf den Standpunkt, dass eine rückwirkende Aufhebung auf einen willkürlich von der Legislative vorgesehenen Zeitpunkt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstosse und die Auflösung auf das Ende der Amtsperiode per 31. Dezember 2012 zu erfolgen habe.

    2. Der Stadtrat selbst beantragte ursprünglich eine rückwirkende Aufhebung auf den

      31. Dezember 2009 (act. G 1.10). Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Aufhebung der Ruhegehaltsordnung seit der Arbeitgeberkontrolle durch die SVA St. Gallen im Januar 2010 zur Diskussion stand. Über die Tatsache, dass es zu einer Auflösung der Ruhegehaltsordnung kommt, bestand denn auch von Beginn weg Einigkeit. Einzig die genauen Modalitäten, insbesondere die Höhe der Rückzahlung der geleisteten Beitragszahlungen, gab zu Diskussionen Anlass. Somit war den Klägern schon lange bewusst, dass es zu einer Auflösung der Ruhegehaltsordnung kommen wird. Es kann damit nicht als treuwidrig angesehen werden, wenn das Stadtparlament den Zeitpunkt auf den 8. Juni 2012 festsetzte. Dies umso mehr, als der Stadtrat sich, gemäss den anlässlich der Parlamentssitzung vom 7. Juni 2012 geänderten Anträgen, ebenfalls mit einer Auflösung per 8. Juni 2012 einverstanden erklärte. Mit diesem Beschluss lag zudem einzig eine sofortige, nicht aber eine rückwirkende Aufhebung des Reglements vor. Die durch das Stadtparlament beschlossene Aufhebung auf den 8. Juni 2012 ist demgemäss nicht zu beanstanden.

    3. Obwohl die Auflösung der Ruhegehaltsordnung auf den 8. Juni 2012 beschlossen wurde, hatte sich die Beklagte entschlossen, bis Ende 2012 die bisherigen Beiträge weiter zu bezahlen und den Ruhegehaltsfonds vorderhand faktisch nicht zu liquidieren (vgl. Klageantwort vom 10. April 2013, S. 4 f.; act. G 9). Es ist somit unbestritten, dass bis zum 31. Dezember 2012 der Fonds weiterhin mit Beitragszahlungen der Kläger und der Beklagten geäufnet wurde. Da die Ruhegehaltsordnung jedoch gemäss Beschluss des Stadtparlaments auf den 8. Juni 2012 aufgehoben worden war, erfolgten diese

Beitragszahlungen ohne rechtliche Grundlage. Aus diesem Grund werden die nach dem 8. Juni 2012 getätigten Beitragszahlungen wohl zurückzuzahlen sein. Da sich die vorliegende Streitsache hingegen auf die Liquidation der Ruhegehaltsordnung beschränkt, sind die nach dem Auflösungszeitpunkt noch getätigten Zahlungen nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

7.

Zusammenfassend ist im Sinne der vorstehenden Erwägungen festzuhalten, dass die Beschlüsse des Stadtparlaments F. vom 7. Juni 2012 betreffend Auflösung der Ruhegehaltsordnung (act. G 1.6) nicht zu beanstanden sind. Die beschlossenen Auszahlungen wurden durch die Beklagte denn auch nie in Frage gestellt und sind somit anerkannt. In dem den anerkannten Umfang übersteigenden Teil der Anträge wird die Klage abgewiesen. Es liegt insofern ein Überklagen seitens der Kläger vor. Demgemäss ist die Klage vollumfänglich abzuweisen.

8.

    1. Die vollumfängliche Abweisung der Klage hat zur Folge, dass die Kläger kostenpflichtig werden. Wie voranstehend ausgeführt handelt es sich vorliegend um eine Streitigkeit aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherung für Behördenmitglieder, Beamte und öffentliche Angestellte gemäss Art. 65 lit. e VRP und nicht um eine Angelegenheit des BVG. Damit kommt die in Art. 73 Abs. 2 BVG vorgesehene Kostenlosigkeit des Verfahrens nicht zum Tragen. Vielmehr kommen auf das Verfahren die Bestimmungen des VRP zur Anwendung und damit auch die Kostenregelung in Art. 94 ff. VRP. Die vollumfängliche Abweisung der Klage hat zur Folge, dass die Kläger kostenpflichtig werden (Art. 95 VRP). Gemäss der Regelung in Art. 7 Ziff. 122 Gerichtskostenverordnung (sGS 941.12) besteht für einen Endentscheid der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein Kostenrahmen von Fr. 500.00 bis 15'000.00. Die Gerichtskosten werden auf Fr. 4'000.00 festgelegt und den Klägern unter solidarischer Haftung auferlegt (Art. 96bis VRP).

    2. Gestützt auf Art. 98 VRP besteht in verwaltungsrechtlichen Klagefällen ein

Anspruch auf Ersatz der ausseramtlichen Kosten, die gemäss den am Verfahren

Beteiligten nach Obsiegen und Unterliegen auferlegt werden (Art. 98 bis VRP). Im Klageverfahren, wo sich wie im Zivilprozess zwei Parteien gegenüberstehen, wird auch dem Gemeinwesen ein Anspruch auf ausseramtliche Entschädigung zuerkannt (vgl. Cavelti/Vögeli, Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton St. Gallen, St. Gallen 2003, Rz. 361; Rebecca Hirt, Die Regelung der Kosten nach st. gallischem Verwaltungsrechtspflegegesetz, St. Gallen 2004, S. 177). Gemäss den vorstehenden Erwägungen ist die Klage vollumfänglich abzuweisen und damit haben die Kläger die ausseramtlichen Kosten zu tragen. In der Verwaltungsrechtspflege beträgt das Honorar vor Versicherungsgericht nach Art. 22 Abs. 1 der Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten (HonO; sGS 963.75) pauschal Fr. 1'000.00 bis 12'000.00. Der Bedeutung und Komplexität der vorliegenden Streitsache sowie dem mutmasslichen Aufwand des Rechtsvertreters angemessen erscheint eine Parteientschädigung von pauschal Fr. 4'000.00 (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer).

Demgemäss hat das Versicherungsgericht im Zirkulationsverfahren gemäss Art. 39 VRP entschieden:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Kläger haben unter solidarischer Haftung eine Gerichtsgebühr von Fr.

    4'000.00 zu bezahlen.

  3. Die Kläger haben der Beklagten unter solidarischer Haftung eine

Parteientschädigung von Fr. 4'000.00 zu bezahlen.

Quelle: https://www.sg.ch/recht/gerichte/rechtsprechung.html
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